DER UNABHÄNGIGE FORSCHER
„Ohne das anwendungsorientierte Umfeld im Technologiepark Heidelberg, wäre ich nie zur Mikroskopie gekommen und heute kein Nobelpreisträger.“
Prof. Dr. Stefan Hell
Direktor am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen
Über Prof. Dr. Stefan Hell
Prof. Dr. Stefan Hell ist Direktor am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen und lehrt an den Universitäten Heidelberg und Göttingen. Für die Erfindung des STED-Mikroskops erhielt er 2014 den Nobelpreis für Chemie. Mittlerweile ist Stefan Hell auch mit zwei Ausgründungen am Markt präsent.
Es war 1993, an einem Samstagvormittag im finnischen Turku. Als Stefan Hell in einem Physikbuch blätterte, kam ihm schlagartig die Idee, wie er die Auflösungsgrenze der Lichtmikroskopie durchbrechen konnte. Das Problem beschäftigte ihn bereits seit Jahren: Im herkömmlichen Lichtmikroskop erscheinen Objekte, die kleiner als 200 Nanometer sind, nur als verschwommene Punkte.
Zwar ist es möglich, mit Elektronenmikroskopen höhere Auflösungen zu erreichen. Zum Betrieb eines solchen Mikroskops ist jedoch ein Vakuum notwendig. Darüber hinaus muss das Objekt in hauchdünne Scheiben präpariert werden. Es ist folglich nicht möglich, biologische Prozesse in lebenden Zellen zu beobachten. Hingegen erlaubt die Fluoreszenzmikroskopie, das Zusammenwirken einzelner Proteine in lebenden Zellen zu beobachten. Ausgewählte Proteine werden mit fluoreszierenden Molekülen, sogenannten Markermolekülen, gekoppelt und durch einen Lichtstrahl beleuchtet. Die Rückstrahlung der so angeregten Markermoleküle lässt sich mit herkömmlichen Lichtmikroskopen beobachten – allerdings nur bis zur erwähnten Auflösung von 200 Nanometern. Dichter gepackte Proteine erscheinen als unscharfer Lichtfleck.
Stefan Hell fand mit dem STED-Mikroskop eine Möglichkeit, diese Grenze zu überwinden. Stark vereinfachend formuliert kam er auf die Idee, den runden Lichtstrahl, der die Markermoleküle anregt, mit einer ringförmigen „Schablone“ abzudecken. In der Mitte dieser „Schablone“ befindet sich ein „Loch“, dessen Durchmesser sich theoretisch beliebig verkleinern lässt. Mit dieser „Lochlinse“ ist das STED-Mikroskop in der Lage, Details aufzulösen, die kleiner als 200 Nanometer sind. Für diese Entdeckung erhielt Stefan Hell 2014 den Nobelpreis für Chemie.
Wie die Stimulated Emission Depletion-Mikroskopie funktioniert
Beim Versuch, Licht auf einen möglichst kleinen Punkt zu fokussieren, wird die Welle gebeugt, der Punkt erscheint als Lichtfleck von einer halben Wellenlänge (ungefähr 200 Nanometer). Mit einem STED-Mikroskop lassen sich bedeutend bessere Auflösungen erzielen. Der Clou liegt im Zusammenspiel von Anregung und Abregung der fluoreszierenden Markermoleküle.
Ein Laserstrahl regt die Markermoleküle eines Präparats in einem Fokus von 200 Nanometern Durchmesser an. Gleichzeitig sorgt ein zweiter Doughnut-förmiger „Abregestrahl“ mit einer längeren Wellenlänge dafür, dass im Außenbereich des Anregefokus keine Fluoreszenzfarbstoffe stimuliert werden. Es leuchten nur noch die Markermoleküle im Zentrum. Ist nun die Intensität des Abregestrahls größer als die des anregenden Laserstrahls, wird der zentrale Bereich, in dem die Markermoleküle noch angeregt werden, sehr viel kleiner als der mit dem anregenden Laserstrahl beleuchtete Bereich. Je intensiver der Abregestrahl ist, desto kleiner ist der Durchmesser des resultierenden Lichtflecks.
Das Objekt wird mit diesem Lichtfleck abgerastert, das gemessene Fluoreszenzsignal durch einen Computer ausgewertet und auf einem Monitor dargestellt. Das so erreichbare Auflösungsvermögen liegt weit jenseits der bisherigen Beugungsgrenze von 200 Nanometern.
Doch der Weg zum Preis war lang und gewunden. Stefan Hell hatte in Heidelberg Physik studiert. Nach seinem Diplom 1987 arbeitete er bei Siegfried Hunklinger an seiner Dissertation zum Thema „Abbildung transparenter Mikrostrukturen im konfokalen Mikroskop“. Siegfried Hunklinger hatte zusammen mit Josef Bille – beides Professoren der Angewandten Physik – im Technologiepark auf dem Neuenheimer Feld das Unternehmen Heidelberg Instruments ausgegründet. Dort sollte Stefan Hell forschen.
„Ich sollte als Doktorand lithographische Strukturen auf Silizium-Wafern mit konfokaler Laserscanning-Mikroskopie untersuchen. Ich war hin- und hergerissen: Einerseits fand ich es reizvoll, meine Doktorarbeit in einem industriellen Umfeld abzufassen. Andererseits wollte ich Werte schaffen, die auch für Physiker von Interesse sind. Meine Untersuchungen waren aber sehr technisch. Zeitweise war ich frustriert und hätte fast aufgegeben. Doch dann kam ich auf die Idee, die Beugungsgrenze im Lichtmikroskop mithilfe der Laserscanning-Technologie zu überwinden. Ohne das anwendungsorientierte Umfeld im Technologiepark Heidelberg, wäre ich nie zur Mikroskopie gekommen und heute kein Nobelpreisträger.“
Die Idee, Lichtmikroskope mit einer höheren Auflösung als bisher zu entwickeln, ließ Stefan Hell nicht mehr los. Im EMBL konnte er einen weiteren Schritt zur Realisierung vollziehen. Stefan Hell hatte nach seiner Promotion die Idee für die 4Pi-Mikroskopie entwickelt, die zwei Objektive benutzt, um die Auflösung senkrecht zur Fokalebene zu erhöhen. Ein DFG-Postdoc-Stipendium erlaubte es Hell, die Funktionsfähigkeit der 4Pi-Mikroskopie zu beweisen. In Turku entdeckte er schließlich das Prinzip der STED-Mikroskopie. Nach einer weiteren Station in Oxford und seiner Habilitation für Physik an der Universität Heidelberg leitete er eine Nachwuchsgruppe am Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Hier konnte er zeigen, dass auch die STED-Mikroskopie praktisch anwendbar war.
„Rückblickend denke ich, dass man jungen Wissenschaftlern zugestehen muss, unkonventionell zu denken und zu handeln. Man muss ungewöhnlichen Charakteren, die etwas bewegen wollen, auch jenseits der Standard-Karrieren Freiräume geben. Ich wurde am MPI in Göttingen Leiter einer Nachwuchsgruppe, obwohl ich damals kaum hochkarätige Publikationen vorzuweisen hatte. Leider werden solche Kriterien oft übergewichtet. Man muss sich bei der Beurteilung junger Wissenschaftler intensiver mit den Inhalten auseinandersetzen, nicht mit oberflächlichen Parametern. Das kostet aber Zeit.“
2002 wurde Stefan Hell zum Direktor am MPI Göttingen ernannt. Er lehrt an den Universitäten Heidelberg und Göttingen. In Heidelberg leitete Stefan Hell von 2003 bis 20016 eine kleinere Abteilung am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Seit 2016 ist er auch Direktor am Heidelberger MPI für medizinische Forschung und leitet die Abteilung „Optische Nanoskopie“.
2011 und 2012 gründete Stefan Hell in Göttingen zwei erfolgreiche Unternehmen, von denen Abberior Instruments auch in Heidelberg ansässig ist. Beim Aufbau des Heidelberger Standorts kam es zu einem erstaunlichen Zufall.
„Bei der Planung meiner Ausgründungen habe ich mich an meine Beobachtungen in der Unternehmenswelt erinnert. Ich hatte mir einst drei Dinge vorgenommen: Erstens wollte ich mit meinen Unternehmen Produkte nicht nur um die eigene Technologie konzentriert, sondern direkt für die Kunden entwickeln. Zweitens wollte ich meine Unternehmen ohne die Hilfe von Investoren gründen, um nicht von externen Entscheidungen abhängig zu sein. Drittens habe ich in Heidelberg gelernt, dass es klug ist, ein Unternehmen in einem Technologiepark anzusiedeln, der sich in unmittelbarer Nähe des Universitätsgeländes befindet. Aus meiner eigenen Erfahrung bei Heidelberg Instruments wusste ich, dass Studenten oder Postdocs ihre Qualifikationsarbeiten eher in einem Industriebetrieb abfassen, der sich auf dem Campus befindet. So kann ein Technologieunternehmen junge, motivierte Menschen anziehen.
Deshalb habe ich in Göttingen darauf bestanden, meine Unternehmen auf dem Universitätsgelände zu gründen. In Heidelberg erhielt ich auch einen Standort auf dem Gelände des Technologieparks im Neuenheimer Feld – durch Zufall genau in den Räumlichkeiten, in denen ich bei Heidelberg Instruments meine Dissertation abgefasst habe.“
von Dr. Stefan Burkhardt
Zum Download: Testimonial von Prof. Dr. Stefan Hell
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