DER UNIVERSITÄRE FORSCHER

„In Heidelberg gibt es brillante universitäre Einrichtungen. Ein Beispiel ist die klinische Pharmakologie mit ihrer ‚FIH (first in human) trial unit‘, die dank ihrer hervorragenden Ausstattung und ihres analytischen Labors in der Lage ist, eine Phase-I-Studie durchzuführen. Solche Strukturen sind für die klinische Entwicklung unglaublich wichtig.“

Prof. Dr. Stephan Urban

Stellv. Koordinator Hepatitis, DZIF-Professur Translationale Virologie, Standortsprecher Heidelberg

Über Prof. Dr. Stephan Urban

Prof. Dr. Stephan Urban hatte Anfang der 2000er-Jahre einen großen Erfolg erzielt. Er konnte den „Schlüssel“ auf der Oberfläche des Hepatitis-B-Virus identifizieren, der es dem Erreger erlaubte, in die Leberzellen einzudringen. Ein Medikament mit einem neuen Wirk-Mechanismus gegen Hepatitis B kam in greifbare Nähe.

Bis zu einer erfolgversprechenden klinischen Anwendung war allerdings noch viel Eigeninitiative gefordert. Die präklinischen Untersuchungen mussten verfeinert, eine „lead substance“ entwickelt und auf ihre Toxizität hin getestet werden. Ebenso galt es, die Verwertungsrechte zu sichern, denn ohne Patent ist eine kommerzielle Entwicklung aussichtslos. Doch damals verfügten weder die Universität, noch das Universitätsklinikum Heidelberg über eine eigene Technologietransfer-Abteilung.

Das stellte Stephan Urban vor Schwierigkeiten: „Es existierte zwar unser Grundpatent, die offene Frage lautete jedoch: Wer schützt die Technologie, wenn wir diese am Klinikum Heidelberg weiterentwickeln?“ Stephan Urban und sein Team konnten hier auf das Fachwissen des EMBL bzw. der EMBLEM Technology Transfer GmbH zurückgreifen, die damals die Interessen des Klinikums kommissarisch vertraten. Die dort beschäftigten Experten – allesamt erfahrene Mitarbeiter aus der Industrie – erkannten das Potenzial des Vorhabens und halfen bei Fragen des Patentschutzes und der Auslizensierung. So war es möglich, die verschiedenen Patente weiterzuentwickeln, für das Universitätsklinikum anzumelden und die Vertragsverhandlungen mit einem Lizenznehmer zu führen. Später übernahm diese Aufgabe der Technologietransfer der Universität Heidelberg.

Die zweite Herausforderung bestand in der Akquisition finanzieller Mittel für die Entwicklung, die Tests und die Herstellung des Arzneimittels. „Auch für diese Themen existierte damals noch kaum beratende Infrastruktur, wie dies heute mit BioRegio der Fall ist“, erinnert sich Stephan Urban: „Da gab es bei der Bewilligung von Fördermitteln viele Hochs und Tiefs.“ Urban beantragte erfolgreich Bundesförderungen beim BMBF (Innovative Therapieverfahren), weniger Erfolg war der Bewerbung bei lokalen Ausschreibungen des NCT (Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg) beschieden. Teilweise stand das Urban-Team in hartem Wettbewerb mit Konkurrenten, die bereits Unternehmen ausgegründet und sich so eine bessere Ausgangslage verschafft hatten: „Es gab Situationen, in denen wir als rein universitäre Forscher eine Förderung nicht bekommen haben, die Ausgründungen hingegen schon.“ Maßgeblich für den Erfolg war schließlich die Gründung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF), an dem Urban die erste Professur für translationale Virologie erhielt.

Darüber hinaus profitierte das Team von der exzellenten wissenschaftlichen Infrastruktur vor Ort, wie Stephan Urban berichtet: „In Heidelberg gibt es brillante universitäre Einrichtungen. Ein Beispiel ist die klinische Pharmakologie mit ihrer ‚FIH (First in Human) Trial Unit‘, die dank ihrer hervorragenden Ausstattung und ihres analytischen Labors in der Lage ist, eine Phase-I-Studie durchzuführen. Solche Strukturen sind für die klinische Entwicklung unglaublich wichtig.“ Das Team kooperierte auch eng mit der Nuklearmedizin in der Kopfklinik: „Für uns war diese Unterstützung besonders wichtig, denn wir konnten dort Peptidsynthesen und pharmakokinetische Studien durchführen lassen“, berichtet Stephan Urban: „Ohne diese Kooperation wäre das Projekt nicht so weit gediehen. Wir wären nicht in der Lage gewesen, die Methodik zum Nachweis unseres Wirkstoffs Hepcludex im Serum und in der Leber zu entwickeln. Das hätte unsere finanziellen Möglichkeiten überschritten.“ Ein weiterer Vorteil: Durch die räumliche Nähe hatte das Team sein Projekt im gewünschten Maß unter Kontrolle.

So bot die Heidelberger Infrastruktur den Forschungen Stephan Urbans ein ideales Umfeld, sowohl für die präklinische als auch für die frühe klinische Entwicklung des Hepatitis-Wirkstoffs. Trotz aller Vorteile sei hier aber Pragmatismus gefordert: „Für viele wissenschaftliche Aufgaben war Heidelberg ein guter Standort, für andere Dinge muss man national und international mit Partnern kooperieren, die das am besten umsetzen können“, erklärt Urban.

 

Vier Fragen zum Technologietransfer

 

Herr Urban, was ist von einem gut funktionierenden Technologietransfer gefordert?

Stephan Urban: Zu Beginn sollte die genaue Analyse Priorität haben, welche Erfindungen schützenswert sind. Das ist keine leichte Aufgabe, denn auch Fachleuten ist das Potenzial einer Erfindung nicht immer unmittelbar ersichtlich. Die Fragen lauten: Welche Umsetzungsmöglichkeiten sind bei einer Erfindung de facto vorhanden? Füllt die Neuentwicklung eine Lücke? Hier ist eine kritische Einschätzung durch ein erfahrenes, auch vom Erfinder unabhängiges Fachgremium zentral. Dieses Gremium sollte idealerweise auch im Technologie-Transfer-Office angesiedelt sein. Für die Patentanmeldung sind zweitens gute Patentanwälte sehr wichtig. Diese sind zwar teuer und meist nicht an der Institution selbst angestellt. Die Investition in renommierte Kanzleien lohnt sich aber. Und drittens müssen die Forscher – zumindest am Anfang – eine gewisse publizistische Zurückhaltung üben. Auch wenn das schwerfällt und sich nicht mit der Maxime „publish or perish“ deckt: Nur so kann ihre Erfindung erfolgreich geschützt werden.

 

Weshalb sind Ausgründungen so wichtig?

Stephan Urban: Ich denke, es macht Sinn, die eigentliche Produktentwicklung ab einem bestimmten Punkt über eine Ausgründung vom wissenschaftlichen Teil der Forschung zu trennen. Zugleich sollten sich beide Säulen jedoch räumlich so nahe sein, dass sie in der Lage sind, ihre Arbeit gut zu koordinieren. Dann können sich die Mitarbeiter in der Ausgründung zum Beispiel auf eine VC-Finanzierung konzentrieren. Und das Kernlabor vor Ort kann zugleich die begleitende Forschungsarbeit verfolgen, die ja oftmals durch Forderungen der Zulassungsbehörden bedingt ist. Damit eine solche Kooperation zum Nutzen aller funktioniert, muss die damit verbundene Administration aber möglichst flach gehalten werden.

Darüber hinaus sollten Ausgründungen niederschwellig lizensiert werden, das heißt Lizenzzahlungen und Milestone-Payments sollten möglichst nicht gleich bei der Gründung fällig werden. So kann die Universität Geld verdienen und das Start-up zugleich wirtschaftlich überleben. Dieses Potenzial hat Heidelberg heute in vielen Bereichen bereits realisiert. Ein gutes Beispiel hierfür sind „stille Beteiligungen“, bei denen die Universität auf frühe Lizenzgebühren verzichtet, um später eine hohe Profitbeteiligung zu erhalten.

 

Welche Rolle spielt im Technologietransfer die finanzielle Seite?

Stephan Urban: Die finanzielle Seite kann man gar nicht überschätzen. Da gehören zum Beispiel ganz einfache Dinge hinzu. So sind Patentanwälte hochbezahlte Experten, die meist nicht auf Basis eines Tarifvertrags arbeiten. Eine Universität muss auch in vielen anderen Bereichen ein gutes Netzwerk aufbauen und Geld in externes Knowhow investieren. Die offene Frage ist, woher die notwendigen Mittel stammen sollen.

Eine Möglichkeit wäre, den Rückfluss aus bestimmten Erfindungen an die Universität – die ja eigentlich kein Wirtschaftsunternehmen ist – für Investitionen in Infrastrukturen und dringend benötigte Dienstleistungen zu verwenden. Dann könnten auch die Abläufe in späteren Phasen beschleunigt werden. Wir sind international gesehen nämlich oft zu langsam: Wenn ein großes Unternehmen Rückfragen bezüglich einer Einlizensierung – zum Beispiel im Rahmen der Durchführung einer „Due Diligence“ – hat, darf es nicht Wochen oder Monate dauern, bis eine verbindliche Antwort erfolgt.

Schließlich gibt es in Deutschland einen eklatanten Mangel an Risikokapital (VC), um die frühen Phasen einer Gründung zu unterstützen. Hier wären mehr Modelle denkbar, die denen des High-Tech Gründerfonds (HTGF) ähneln. Sehr viele Start-ups scheitern. Wenn man aber mit einem groß dimensionierten Fonds um die 20 junge Unternehmen unterstützt, kann ein erfolgreicher Exit für die Finanzierung der anderen sorgen. Als Investoren könnten Sponsoren und Mäzene tätig werden. In Heidelberg und Umgebung gibt es meines Erachtens für solche Modelle ideale Voraussetzungen, da sich hier Wissen und Mäzenatentum konzentrieren.

 

Wie ist es um die Kooperation zwischen universitären Einrichtungen und Unternehmen bestellt?

Stephan Urban: Hier sehe ich in Deutschland viel Verbesserungspotenzial. An den renommierten US-Universitäten gibt es spezielle Abteilungen, die sich darum kümmern, Studierende in der frühen Phase ihrer Ausbildung mit Unternehmen zu vernetzen. Das geschieht bereits, bevor die Studierenden ein Produkt haben, das sie den Unternehmen anbieten können. In Deutschland wissen Unternehmen oft nicht über die neuen Entwicklungen an den Universitäten Bescheid. Das ist auch umgekehrt der Fall. Das Netzwerk muss deshalb sehr viel enger werden. Heidelberg ist hier aber bereits auf einem guten Weg.

 

von Dr. Stefan Burkhardt

 

Zum Download: Testimonial von Prof. Dr. Stephan Urban

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