DIE UNTERNEHMERIN

„Neben der Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Flächen, half uns der Technologiepark mit seiner Weitsicht und seinem tiefen Verständnis, was neue Unternehmen und Gruppen brauchen. Der Technologiepark war eine treibende Kraft, um die BioRegion auf den Weg zu bringen.“

Dr. Gitte Neubauer

Head of Cellzome bei GSK

Über Dr. Gitte Neubauer

Dr. Gitte Neubauer war frisch promoviert, als das Angebot erhielt, ein neues EMBL-Spin-off mitauszugründen. Das war im Jahr 2000. In den letzten Jahrzehnten ist Cellzome zu einer festen Größe am Markt geworden. Cellzome hat sich darauf spezialisiert, Krankheitsverläufe und die Funktionsmechanismen von Wirkstoffen auf molekularer Ebene zu verstehen, um so geeignete Ansatzpunkte für neue und bessere Arzneimittel zu finden.

Für Gitte Neubauer war bereits während ihrer Promotionsphase klar, dass sie keine reine Forscher:innenkarriere anstrebte: „Ich wollte schon immer Forschungsergebnisse zur Anwendung bringen. Nur Paper um ihrer selbst willen zu schreiben, war mir auf Dauer etwas zu wenig“, berichtet die Geschäftsführerin des Heidelberger Biotechnologie-Unternehmens Cellzome: „Gute Forschung kann man schließlich auch in der Industrie durchführen, und am besten, wenn man die Chance hat, tatsächlich ein Unternehmen zu gründen.“

Davon kann man sich bei Cellzome überzeugen. Cellzome hat sich darauf spezialisiert, Krankheitsverläufe und die Funktionsmechanismen von Wirkstoffen auf molekularer Ebene zu verstehen, um so geeignete Ansatzpunkte für neue und bessere Arzneimittel zu finden. „Wir können mit unseren Verfahren zum Beispiel herausfinden, wie zielgenau Wirkstoffe die Proteine, die sie hemmen oder aktivieren sollen, beeinflussen oder welche molekularen Charakteristika Patienten haben, die auf eine bestimmte Therapie ansprechen oder nicht“, erklärt Gitte Neubauer.

Die Geschichte von Cellzome begann um das Jahr 2000 am European Molecular Biology Laboratory (EMBL). Gitte Neubauer war frisch promoviert und bekam das Angebot, ein neues EMBL-Spin-off mitauszugründen: „Wir haben unser Projekt in den späten 1990er-Jahren vorbereitet, dann gegründet und rasch die erste Finanzierung erhalten“, erinnert sich die Cellzome-Geschäftsführerin. Die Zeit war günstig, in Deutschland herrschte damals eine regelrechte Biotech-Euphorie. Im Rahmen der BioRegio-Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung entstanden zahlreiche BioRegionen, unter anderem in Heidelberg. Das Ziel der Initiative: Die Nutzung der Biotechnologie zu fördern und den Technologietransfer in die Anwendung zu erleichtern.

Cellzome profitierte von dieser positiven Grundstimmung, wählte jedoch einen ganz eigenen Weg, wie Gitte Neubauer berichtet: „Viele andere Unternehmen hofften damals, dass die Arzneimittel-Entwicklung durch die Sequenzierung des Genoms einfacher und schneller würde. Uns war aber klar, dass das Genom nur einen Teil der Lösung darstellte. Wir wollten uns auf die Proteine konzentrieren und erforschen, wie diese in der Zelle zusammenwirken und die zellulären Funktionen bestimmen.“ Das Cellzome-Team war sich sicher, so einen besseren pharmakologischen Ansatz zu verfolgen.

Der Erfolg gab dem Unternehmen recht: In den ersten beiden Jahren des Bestehens wuchs Cellzome stark und eröffnete eine zweite Niederlassung im Vereinigten Königreich. Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 endete der Biotech-Boom zwar abrupt und die Investorengelder versiegten. Doch Cellzome überlebte den Rücksetzer. „Viele der in den Jahren 1999 und 2000 gegründeten Unternehmen mussten aufgeben. Das zeigt: Biotech ist trotz aller guten Ideen ein Hochrisiko-Geschäft, bei dem es auf günstige Rahmenbedingungen ankommt“, erklärt die Geschäftsführerin. Cellzome selbst wurde 2012 nach vierjähriger Kooperation durch den Pharma-Konzern GSK gekauft. GSK wollte die Technologie-Plattform breiter aufstellen und mehrere Therapiebereiche abdecken.

Weshalb war Cellzome aber erfolgreich? „In Heidelberg hatten wir das Beste aus mehreren Welten“, antwortet Gitte Neubauer: „Wir fanden am EMBL ein internationales Umfeld vor und brachten dieses auch in unsere Unternehmenskultur ein, so war zum Beispiel die Umgangssprache bei Cellzome schon immer Englisch.“ Das erleichterte nicht nur die Zusammenarbeit mit der internationalen Pharmaindustrie, sondern auch die Anwerbung der besten Wissenschaftler:innen. Heute vereint der Cellzome-Standort Heidelberg 80 Mitarbeitende aus aller Welt und aus unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Disziplinen: Biolog:innen, Informatiker:innen, KI-Spezialist:innen und Ingenieur:innen. „Wir haben die ganze Vielfalt an Kompetenzen: Die einen sind eher analytisch tätig, andere in der Bioinformatik, wiederum andere haben sich auf die Laborarbeit spezialisiert“, beschreibt Neubauer die Arbeitswelt des Biotech-Unternehmens.

Heidelberg bietet als Standort aber nicht nur ein internationales Umfeld und eine – für die Talentgewinnung wichtige – hohe Lebensqualität. Die Infrastruktur an Forschungseinrichtungen und Kliniken bewegt sich auf Weltklasseniveau: „Heidelberg steht bei der Forschungsqualität den anderen großen Biotech-Hubs in nichts nach und ist sicher mit Cambridge, Oxford oder US-amerikanischen Locations vergleichbar“, ordnet Gitte Neubauer ein. Um dieses Potenzial für Spin-offs und Start-ups aktivieren zu können, sind allerdings tragfähige Netzwerke notwendig: „Wenn man aus der Universität heraus gründet und keine Erfahrung mit der Medikamentenentwicklung hat, kann man sich über Netzwerke austauschen - nicht nur unter Peers, sondern auch mit der Industrie und der Forschung.“ Gerade im BioRN Network, dem die Biomedizinerin vorsitzt, finde man Ideengeber, Mentoren und Menschen, die den Ausbau eines herausragenden Ökosystems mitgestalten wollen.

Der Technologiepark Heidelberg spielt nach Ansicht von Gitte Neubauer bei der Entwicklung dieses Ökosystems eine wichtige Rolle, wie die Anfangszeit von Cellzome zeige: „Neben der Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Flächen, half uns der Technologiepark mit seiner Weitsicht und seinem tiefen Verständnis, was neue Unternehmen und Gruppen brauchen.“ Technologiepark und Stadt Heidelberg hätten verstanden, wo die Stärken des Standortes liegen und dass man mitunter mit viel Flexibilität ins Risiko gehen müsse: „Der Technologiepark war eine treibende Kraft, um die BioRegion auf den Weg zu bringen.“ Und dann gab es noch den in den frühen 2000er-Jahren gerade frisch installierten Technologietransfer des EMBL, der Cellzome über die Anfangsschwierigkeiten hinweghalf. Auch nach dem Aufkauf durch GSK blieb Cellzome dem EMBL verbunden. „Unsere Kooperation mit dem EMBL funktioniert dank einer pragmatischen und vertrauensvollen Zusammenarbeit hervorragend. Wir können einen neuen Vertrag für ein neues Forschungsprojekt innerhalb weniger Wochen abschließen“, erklärt Gitte Neubauer.

Das sei aber nicht immer der Fall: „Wir könnten unser Potenzial in Deutschland noch viel besser nutzen“, davon ist Gitte Neubauer überzeugt: „Ein bisschen weniger Bürokratie und generell eine risikofreudigere Mentalität wären hilfreich. Die Möglichkeiten des Technologietransfers sind hier aber begrenzt. Die Rahmenbedingungen müssen durch die Politik gestaltet werden.“ Ähnliches gelte für die Finanzierungsmöglichkeiten. Zwar böten Netzwerke auch Zugang zu VC-Investoren. „In Deutschland ist die Finanzierung eines jungen Biotech-Unternehmen mit Wagniskapital noch immer sehr viel schwieriger als in den USA. Wir konnten stark davon profitieren, dass unser Gründungsteam nicht nur Wissenschaftler:innen umfasste, sondern auch erfahrene Biotech-Unternehmer aus den USA, die uns einen ganz anderen Zugang zu Investoren eröffneten“, erinnert sich Neubauer.

Mit besser finanzierten Start-ups und mehr Investitionen steigt auch die Zahl der potenziellen Kooperationspartner. Für Heidelberg wäre dies von Vorteil, denn die kommenden Biotech-Trends erfordern eine Vielzahl gut aufeinander abgestimmter Kompetenzen: „Wir werden die Biomedizin interdisziplinär viel weiter als bisher fassen müssen. Die Schnittstellen zwischen den Disziplinen werden immer wichtiger. Das zeigt sich nicht nur beim Thema maschinelles Lernen, sondern auch beim cross-over zwischen Biotech und Medtech“, erklärt die Cellzome-Geschäftsführerin. Deshalb benötige ein innovatives Ökosystem heute Akteur:innen aus zahlreichen Fachrichtungen. Das zeige sich im Kleinen bei Cellzome selbst.

Um diese zunehmende Komplexität bewältigen zu können, sollten die BioRegionen auf eine spielerische Art noch stärker zusammenwachsen. Nicht alle Orte müssten das gleiche Angebot haben: „In der Aufgabenteilung liegt eine große Chance für Heidelberg und seine Umgebung.“ Eine Chance, die man nutzen müsse. Vieles hänge für den Standort nämlich in Zukunft davon ab, dass sich die Unternehmen, die Städte und die BioRegion im Einklang miteinander entwickeln.

 

von Dr. Stefan Burkhardt

 

Zum Download: Testimonial von Dr. Gitte Neubauer

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