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Wo der Gamer auf den Chirurgen trifft

Vom 24.-26. September findet die „Shift Medical 2020“ statt, Europas erster großer Kongress für Virtual Reality und Augmented Reality im Gesundheitswesen. Wir sprachen mit Dr. med. Lars Riedemann, Initiator und wissenschaftlicher Direktor der Shift Medical über das virtuelle Event, das Akteure der XR-Gesundheitswirtschaft zusammenbringt, um sich über die neuesten Forschungsergebnisse, Standards, Zulassungsfragen, Business Modelle und ethischen Aspekte auf dem Gebiet der virtuellen Medizin auszutauschen.

Website mit Möglichkeit zur Registrierung für die Shift Medical:  https://shiftmedical.eu/

Die Teilnehmer der Shift Medical bewegen sich mit ihren Avataren in einem virtuellen Kongressgebäude. Bild: Technologiepark HD.

 

Herr Dr. Riedemann, was genau steckt eigentlich hinter dem Begriff XR?

„XR“ steht für „Extended Reality“ und umfasst alle Technologien, die die reale Welt erweitern und mit virtuellen Elementen kombinieren. Dazu gehören Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR) und Mixed Reality (MR). AR erweitert die reale Welt mit virtuellen Objekten und Informationen. VR schafft eine komplett computergenerierte Umgebung und blendet die reale Welt dabei aus. Und MR verbindet die reale mit einer virtuellen Welt, wodurch eine komplett neue Umgebung entsteht.

 

Was wollen Sie mit Ihrem Kongress erreichen?

Wir wollen Akteure verschiedener Branchen zusammenbringen und Ihnen die Möglichkeit geben, sich über den Status quo auf dem Gebiet der XR zu informieren. Zudem bietet der Kongress die Gelegenheit, kritisch über die aktuellen Zulassungsrichtlinien, Businessmodelle und ethischen Aspekte im medizinischen XR Gebiet zu diskutieren. Dabei sollen beispielsweise der Arzt mit dem Tekkie aus der Gamingbranche und Startups mit Vertretern der etablierten Medizintechnik und Politikern zusammenkommen. Wir sind momentan in Europa die einzigen, die ein solches Event für XR-Technologien in der Gesundheitsindustrie durchführen.

 

Wie entstand die Idee für die Shift Medical?

Schon als ich anfing, Medizin zu studieren, hatte ich die Idee, meine Leidenschaft für IT einmal mit der Medizin zu verbinden. Während meines vierjährigen Forschungsaufenthaltes an der Harvard Medical School, untersuchte ich unter anderem das Tumorwachstum mit bildgebenden Verfahren in Echtzeit, entwickelte komplexe 3D-Modelle und arbeitete an neuen Laser-Technologien. Ich lernte in dieser Zeit alle für mich wichtigen Technologien aus dem Biomedical Engineering.

Nach meiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2015 wurde mir deutlich, dass die Technologieentwicklung hierzulande im Vergleich zu den USA noch immer schwächer ausgeprägt ist. Vor allem bei den digitalen Technologien gibt es wenig konkrete Umsetzungen in Produkte.

2016 nahm ich am ersten „Life Science meets IT Hackathon“ teil, der von Raoul Haschke vom Gründungsmanagement der Universität Heidelberg und Thomas Prexl, Geschäftsführer der Heidelberg Startup Partners mitorganisiert wurde. Dort habe ich AR basierte Lösungen für Schlaganfallpatienten mit Sprachstörungen entwickelt. Wir waren technisch sehr erfolgreich. Das Produkt wurde dank seines unmittelbaren Mehrwertes von den Patienten gut angenommen. Marktwirtschaftlich hatten wir jedoch weniger Erfolg. Der entwickelte Prototyp landete schließlich in der Schublade. Mir wurde inzwischen immer klarer, dass in Deutschland und in ganz Europa noch immer ein effektives Ökosystem für Technologie-Startups fehlt, die Lösungen für die Medizin entwickeln wollen. Oftmals wird der Wert digitaler Lösungen zu spät oder auch gar nicht erkannt. Für Tech-Startups ist es schwer, im Healthcare-Markt Produkte zu platzieren.

Um eine interdisziplinäre Kommunikation in Gang zu bringen, gründete ich eine internationale Social-Media-Gruppe. Sie ist inzwischen auf über 1700 Mitglieder angewachsen und enthält mittlerweile Vertreter vieler Technologieunternehmen, Medizintechnikunternehmen, Digital Health Start-Ups und Kliniken.

Später fing ich an, nach Konferenzen zu recherchieren, um einen Ort für einen persönlichen Kontakt zu finden. Aber es gab in Europa keine passende Veranstaltung. 2018 erfuhr ich, dass die FDA in Washington für Anfang März 2020 einen Medical-XR-Workshop plante. Ich trat mit der FDA in Verbindung, wir sprachen uns ab und planten eine europäische Veranstaltung für September 2020 in Heidelberg. Die FDA führte ihre Veranstaltung wie geplant mit großem Erfolg in Silver Spring durch. Unseren Kongress mussten wir aufgrund der Corona-Pandemie von Heidelberg in den virtuellen Raum verlegen.

 

Zwischen dem 24. und 26. September 2020 findet nun die virtuelle Shift Medical statt. Wie hat die Pandemie Ihre Planung beeinflusst?

Die wichtigste Änderung: Wir führen alles komplett virtuell mit Avataren durch. Das tun wir mit Hilfe der Firma TriCat, die virtuelle Lösungen für Veranstaltungen, Training anbieten. Ursprünglich sollte unser Event als reales Event im Business Development Center in Heidelberg stattfinden. Nachdem klar war, dass das aktuell nicht ohne weiteres möglich ist, haben wir in Rekordgeschwindigkeit eine komplette virtuelle Messe auf die Beine gestellt. Genau wie auf Präsenzveranstaltungen, kann man auch auf der Shift Medical Vorträge besuchen oder aber im kleineren Rahmen in so genannten Breakout Sessions Einzel- und Gruppengespräche führen. Das alles geschieht mit dem persönlichen Avatar, mit dem man sich durch das virtuelle Kongresszentrum mit separaten Audiozonen bewegt.

 

Wie viele Teilnehmer erwarten Sie und wie wird das Programm aussehen?

Wir erwarten etwa 500 Teilnehmern und haben zusammen mit unseren Partnern, der Universität Heidelberg, dem Technologiepark Heidelberg und den Heidelberg Startup Partners für die Gäste ein wirklich vielfältiges Programm zusammengestellt. Die Baden-württembergische Wirtschaftsministerin Theresia Bauer und Prof Dr Matthias Weidemüller, Prorektor für Innovation und Transfer an der Universität Heidelberg, übernehmen die Schirmherrschaft für die Shift Medical 2020.

Zu den Rednern gehört zum Beispiel Christian Angern vom Hamburger Unternehmen Sympatient, das Therapielösungen für Patienten mit Angststörungen anbietet. Sympatient hat es als eines der wenigen Unternehmen in Deutschland geschafft, eine VR-Anwendung als Medizinprodukt an den Markt zu bringen und eine Kassenzulassung dafür zu bekommen.

Ein Vertreter der FDA stellt die ganz neuartigen regulatorischen Herausforderungen des Technologiezweigs vor: Wenn die Hardware von Firma x kommt, die Software von Firma y, das Backend von Firma z – und, wenn ein Arzt diese komplexe XR-Lösung bedient – wo beginnt dann wessen Verantwortung und wo hört sie auf?

Mit dabei ist auch Tom Furness, Professor an der University of Washington in Seattle, der aufgrund seiner schon über 50 Jahre laufenden Karriere im Bereich Virtual Reality als „Großvater“ der Technologie gilt. Angefangen hatte er in diesem Bereich mit der Entwicklung VR-basierte Cockpits für die Ausbildung der Piloten der US-Luftwaffe. Das sind nur drei von insgesamt 65 namhaften Rednern aus der ganzen Welt, die wir auf der Shift Medical mit an Board haben.


Haben Sie vor, die Shift Medical künftig regelmäßig durchzuführen?

Ja, das ist das Ziel, wenn der Zuspruch da ist, wovon ich ausgehe, und wenn das Event sich dauerhaft finanziell trägt. Wir sind hier dieses Jahr mit einer recht großen Summe in Vorleistung getreten. Künftig müssten wir die nötige Summe über Eintrittsgelder und Sponsoren generieren. Aber ich bin sehr optimistisch, dass wir für die jährliche Shift Medical eine gute Finanzierungsmöglichkeit finden.

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