Kurzporträt: Getsafe
“Wir wollen ein Lebensbegleiter für unsere Kunden sein.”

Die Idee zu Getsafe entstand im Elternhaus des heutigen Firmengründers: Zwanzig graue Leitz-Ordner voller Vertragsdokumente in einem weißen Einbauschrank brachten Christian Wiens ins Grübeln. Aus dem Grübeln wurde ein junges InsurTech Startup: Bei Getsafe können Kunden eine Versicherung auf dem Smartphone abschließen und verwalten oder einen Schaden melden. Ein Besuch bei einem Unternehmen, das sich viel vorgenommen hat.

Wer die Büroräume von Getsafe in der Bahnstadt betritt, findet viele Startup-Klischees bestätigt: Junge Menschen in legerer Kleidung mit Laptops, bewaffnet mit Clubmate, Kaffee oder Chai Latte. Die Whiteboards sind voller Skizzen und bunten Haftnotizen. An der Wand in der Küche hängen Schnappschüsse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, uniformiert mit weißem T-Shirt. Ein Tischkicker und ein gelbes Sofa laden zu kreativen Pausen ein. Es wirkt unkompliziert, minimalistisch, ein bisschen chaotisch. Startup halt. Doch ganz so locker ist es nicht. Hinter den geschlossenen Bürotüren sitzen Entwickler und Designer und arbeiten konzentriert an ihren Bildschirmen. Andere arbeiten an Stehtischen am Fenster oder auf dem Boden sitzend. Gesprochen wird kaum, stattdessen kommunizieren viele Mitarbeiter mit einem Messenger-Dienst - sogar, wenn sie sich gegenübersitzen. Das Arbeitspensum scheint hoch.

Kein Wunder, denn Firmengründer und CEO Christian Wiens hat Großes vor. „Unsere Mission ist es, der beste Versicherungsanbieter der Welt zu sein.” Gemeinsam mit seinem Mitgründer Marius Blaesing will er Versicherungen “wieder sexy machen” und “die gesamte Versicherungsbranche umkrempeln”, so wie Amazon den Buchhandel oder Uber die Personenbeförderung revolutioniert hat.
Wie er das anstellen will? Auch darauf hat der 34-Jährige eine Antwort: “Mit unserer App, die eine ganz neue Versicherungserfahrung möglich macht.” Diese App soll das Thema Versicherung unkompliziert und unmittelbar machen. Die Versicherungsdokumente haben Kunden auf dem Smartphone immer bei sich. Einen Schaden melden, den Versicherungsschutz zu erweitern oder zu kündigen – dafür stellt Getsafe einen Chatbot zur Verfügung.


Ein Computer anstelle eines persönlichen Ansprechpartners? Ein Pdf anstelle eines Papierdokuments? Wirklich innovativ scheint das nicht. Doch Christian Wiens widerspricht: “Der Versicherungsmarkt ist eine der letzten großen Branchen, die noch kaum im 21. Jahrhundert angekommen sind. Noch immer dauern Schadensbearbeitungen mehrere Wochen, sehr viele Prozesse beruhen nach wie vor auf Papier. Das wollen wir ändern, und dazu setzen wir auf technologische Lösungen, die das Leben unserer Kunden vereinfachen.“ Diese technologischen Lösungen stecken derzeit noch in den Kinderschuhen. Ideen für den Einsatz
smarter Algorithmen und künstlicher Intelligenz gibt es viele, doch die Umsetzung ist kompliziert. Einen ersten Schritt in Richtung Automatisierung ist das Unternehmen jedoch schon gegangen: Bei der Zahnschutzversicherung können Kunden ein Foto ihrer Arztrechnung hochladen, das von einem Algorithmus ausgelesen und geprüft wird. Wenn alles funktioniert, wird der Erstattungsbetrag bis zum
nächsten Tag überwiesen.
Die Atmosphäre wirkt familiär; gesprochen wird Englisch, denn die rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen aus zehn Ländern. Alles scheint bis ins letzte Detail durchgestylt, sogar die Salzund
Pfefferstreuer fügen sich dezent in das Bild eines innovativen, dynamischen Umfeldes. Das Prinzip: Wer viel arbeitet, soll sich auch wohlfühlen. Bis Getsafe alle Versicherungssparten abdecken wird, werden noch einige Monate vergehen. Bislang hat das Startup noch keine Bafin-Lizenz, sondern kooperiert mit Rückversicherern wie der Munich Re, die das Versicherungsrisiko tragen. Auch das Produktportfolio ist noch übersichtlich: Die Kunden können zwischen einer Haftpflicht-, Hausrat-, Rechtsschutz-, Fahrrad- und Zahnzusatzversicherung wählen; zusätzlich gibt es Premiumvarianten oder einzelne Module - der Trend des Baukastensystems macht auch vor der Versicherungswelt nicht Halt. Christian Wiens schrecken Versicherungsriesen wie Allianz oder Axa dennoch nicht ab. Im Gegenteil. Der gebürtige Heidelberger ist überzeugt, dass die traditionellen Versicherer mit ihren Kanälen und Produkten gerade jene Menschen, die sich zum ersten Mal versichern, nicht mehr erreichen. “Junge Menschen zwischen Ausbildung oder Studium und Berufseinstieg sind es gewohnt, Informationen sofort zu bekommen und alles digital und von unterwegs aus zu erledigen. Sie misstrauen Maklern und wollen nicht bis zu Öffnungszeiten warten, um ein Problem zu lösen oder einen Schaden zu melden. “Mit unserer App machen wir das Leben unserer Kunden einfacher - so wie heutzutage kaum jemand mehr ein Zugticket am Schalter kauft.”


Ob eine App das Leben tatsächlich so viel einfacher macht als ein Anruf bei seinem Versicherungsvertreter oder eine Schadensmeldung per E-Mail? Bei der jungen Zielgruppe der 24- bis 29-Jährigen kommt das Versprechen offenbar gut an: 50.000 Policen hat Getsafe in nur zwölf Monaten nach der Markteinführung verkauft. Das sind immerhin 10% bei den Versicherungseinsteigern. Das Startup wächst hier schneller als die Wettbewerber in Deutschland. Dieser Erfolg birgt auch Schattenseiten. "Jede Woche kommen so viele neue Kunden dazu; dass wir mit unseren internen Strukturen und Prozessen kaum nachkommen.” Bis Jahresende will Getsafe die Anzahl seiner beschäftigten mehr als verdoppeln. Seit sechs Monaten haben die Gründer die Büroräume von Design Offices in der Bahnstadt gemietet, und schon wieder wird der Raum knapp. Warum sie nicht längst nach Berlin gegangen sind? Christian Wiens denkt einen Moment nach. Natürlich ist Heidelberg für ein Insurtech-Startup kein typischer Standort, sagt er. Hier gibt es weniger Investoren und gleichzeitig mehr Konkurrenz aus der traditionellen Industrie. Außerdem ist es schwieriger, an kreative Menschen wie Designer heranzukommen. Und doch sieht Wiens auch große Vorteile: Heidelberg ist international bekannter als die meisten deutschen Großstädte und einer der führenden Wissenschaftsstandorte Europas mit sehr vielen schlauen Köpfen. Die gesamte Region zwischen Frankfurt, Stuttgart und Mannheim beherbergt viel Industrie sowie Deutschlands beste Universitäten für Ingenieure, Naturwissenschaftler und Betriebswirte. Nicht zuletzt haben sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Getsafe hier ihren Lebensmittelpunkt aufgebaut - einschließlich der beiden Gründer.
Und für die Zukunft? “Wir werden unser Produktportfolio erweitern und ins Ausland expandieren,” sagt Christian Wiens. Das größte Risiko sieht er dabei nicht im Markt, sondern in der eigenen Organisation. “Wir brauchen viele kluge Köpfe und müssen bereit sein, aus unseren Fehlern zu lernen. Wenn uns das gelingt und wir unserer Vision treu bleiben, bin ich felsenfest davon überzeugt, dass wir uns nicht nur erfolgreich im Versicherungsmarkt etablieren, sondern ihn auch nachhaltig verändern werden.”

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